top of page

Sexy, weil ich es will – oder weil ich es muss?

  • Autorenbild: Sandra Maria
    Sandra Maria
  • 14. Nov. 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 7 Tagen


ree

Ein psychologischer Blick auf Begehren, Freiheit und weibliche Körper

Frauen, die ihre Sexualität zeigen, gelten als mutig, als modern, als befreit. Stimmt das? Bin ich wirklich frei, wenn ich mich sexy kleide oder schminke? Bin ich begehrenswert oder nur verfügbar? Bin ich selbstbestimmt oder einfach gut angepasst? Fragen wie diese begleiten mich schon lange. Und je wohler ich mich in meinem Körper fühle, desto lauter tauchen sie manchmal wieder auf.

⚠️ Content Warnung

In diesem Beitrag geht es um gesellschaftliche Schönheitsideale, sexualisierte Fremdwahrnehmung, internalisiertes Patriarchat, Objektifizierung sowie Privilegien durch normschönes Aussehen. Falls dich diese Themen emotional belasten, lies den Beitrag achtsam und nur, wenn du dich stabil genug fühlst. Du darfst jederzeit aufhören zu lesen . Dein Wohlbefinden geht vor.


Zwischen Empowerment und Erwartung

Wer attraktiv ist, wird gesehen. Wer „sexy“ ist, darf mitspielen.

In einer Gesellschaft, die von patriarchalen Vorstellungen geprägt ist, wird Frauen oft suggeriert: Dein Wert hängt von deinem Aussehen ab. Wer attraktiv ist, wird gesehen. Wer „sexy“ ist, darf mitspielen. Doch zu welchem Preis?


Was aussieht wie Empowerment, ist oft eine gut kaschierte Norm. Eine Rolle, in die wir früh hineinwachsen. Eine Inszenierung, die andere Erwartungen erfüllt, aber selten unsere eigenen.


Sexy sein als Überlebensstrategie

„Sich sexy zu machen“ kann auch eine Strategie sein, um Selbstermächtigung zu fühlen. Oft ist es aber auch ein unbewusster Schutzmechanismus: Eine Anpassung an eine Welt, in der es gefährlich, unangenehm oder schlicht nachteilig sein kann, nicht zu gefallen.


Denn wer sich entzieht, wird bewertet oder übersehen. Wer aneckt, muss mit Abwertung rechnen. Wer nicht ins Raster passt, wird ausgeschlossen. Sexy sein kann also auch heißen: „Ich habe verstanden, wie dieses Spiel funktioniert.“ Für mich bedeutet es manchmal also auch ein Gefühl von Sicherheit, es ist jedoch keine Garantie für Freiheit. Aber ist das dann ein Sieg?


Für wen mache ich das eigentlich?

Ich mag es, mich sexy zu kleiden. Ich liebe verspielte Schnitte, zarte Stoffe, Körperbetonung. Aber ich liebe auch oversized Blazer, maskuline Silhouetten, das Understatement. Was ich anziehe, hängt oft von meiner Laune ab. Mal fühle ich mich wie ein wandelndes Pinterest-Board, mal wie ein Teenie-Skateboy. Und beides bin ich. Ich liebe diese Vielseitigkeit.


Aber ich frage mich auch: Wie viel davon ist wirklich meins? Und wie viel davon ist tief verinnerlichte Anpassung? Dass ich, wenn Männer mich wollen, offenbar etwas richtig mache? Dass ich dann vielleicht nicht zu viel, nicht zu wenig, sondern gerade richtig bin. In einer Welt, die uns ständig sagt, was wir sein sollen?


Es fühlt sich an wie ein stiller Deal mit dem Patriarchat: Ich erfülle deine Erwartungen und du lässt mich in Ruhe. Oder gibst mir Sichtbarkeit.

Wie viel davon ist wirklich meins? Und wie viel davon ist tief verinnerlichte Anpassung?

Manchmal frage ich mich auch leise: Ziehe ich das Kleid wirklich für mich an oder weil ich gelernt habe, dass ein begehrter Körper auch ein „richtiger“ Körper ist? Ich bewege mich in einem Körper, der, ob ich will oder nicht, ins normschöne Raster dieser Gesellschaft passt: Blonde lange Haare, große blaue Augen, schlank, trainiert. Das Ideal, das viele Filme in die Hauptrolle schreiben. Mir ist bewusst, dass ich dadurch mit einer Art Startvorteil ins Rennen gehe. Dass ich auf dieser Oberfläche geliebt werde, bevor ich überhaupt etwas sage.

Werde ich gesehen oder nur gespiegelt? Begehrt oder als Hülle gefeiert?

Das ist ein Privileg. Und auch eine Bürde. Denn es macht es noch schwerer zu spüren: Werde ich gesehen oder nur gespiegelt? Begehrt oder als Hülle gefeiert?


Für wen sind wir eigentlich schön?

Ein System, das Anerkennung an „Sexiness“ koppelt, produziert Konkurrenz: Frauen vergleichen sich. Wer schöner, fitter, verfügbarer erscheint, bekommt Sichtbarkeit und damit scheinbar Macht.

Doch diese Art von „Macht“ basiert auf einer knappen Ressource, die von außen vergeben wird. Statt sich zu verbinden, werden Frauen gegeneinander ausgespielt. Das schwächt. Nicht nur individuell. Sondern kollektiv.


Warum die Frage „Aber warum machst du dich dann sexy?“ zu kurz greift

Zugegeben, vermutlich fragt das niemand so direkt. Aber ich höre andere Fragen: Warum ich heute „nur“ eine Jeans trage. Warum ich mich so stark geschminkt habe oder heute eben gar nicht. Warum ich aufgebrezelt bin. Oder warum ich nicht aufgebrezelt bin.


All diese Fragen klingen harmlos. Aber sie lenken den Blick auf die falsche Ebene: Sie tun so, als wäre es meine individuelle Entscheidung, die zu bewerten ist und nicht ein System, das genau diese Entscheidungen ständig beeinflusst.


Denn nicht jede Entscheidung ist so frei, wie sie wirkt. Nicht jedes Outfit ist Ausdruck von Empowerment. Nicht jede Pose ein Beweis von Selbstbestimmung.


🔎 Fun Fact: Studien zeigen, dass attraktive Frauen im Berufsleben Vorteile haben: Sie verdienen im Durchschnitt mehr, gelten als kompetenter, bekommen häufiger Zusagen bei Bewerbungen. Dieses Phänomen wird als „Beauty Premium“bezeichnet (Hamermesh & Biddle, 1994; Johnson et al., 2010).

Doch diese scheinbaren Vorteile sind an Bedingungen geknüpft: Du musst genau richtig sexy sein, aber nicht zu sehr. Begehrenswert, Ja! Aber bitte verfügbar. Es ist ein enges Korsett, das sich modern tarnt. Und ein System, das Frauen gegeneinander ausspielt, statt sie zu verbinden.


Für wen sind wir eigentlich schön?

Wenn wir ehrlich sind, ist das, was als sexy gilt, selten neutral.Der sogenannte male gaze (Mulvey, 1975) (also der männliche Blick als dominanter gesellschaftlicher Blick) bestimmt, was als schön, begehenswert oder "richtig" gilt. Und ja: auch wir Frauen haben diesen Blick oft verinnerlicht.

Es ist nicht unsere Schuld. Aber unsere Verantwortung, ihn zu hinterfragen.


Der sogenannte male gaze (Mulvey, 1975) (also der männliche Blick als dominanter gesellschaftlicher Blick) bestimmt, was als schön, begehenswert oder "richtig" gilt.

Was bedeutet echte Selbstbestimmung?

Ich glaube nicht an ein klares Ja oder Nein. Ich glaube, dass sich echte Freiheit dort zeigt, wo wir innehalten und fragen: Trage ich das, weil ich es liebe oder weil ich weiß, dass ich damit gewinne? Möchte ich gesehen werden oder gesehen werden für das, was ich bin?


Vielleicht trage ich morgen wieder roten Lippenstift. Vielleicht bleibe ich den ganzen Tag in meiner Jogginghose. Vielleicht liebe ich beides zusammen. Und das darf so sein.

Aber ich wünsche mir, dass die Entscheidung von innen kommt. Nicht aus Angst, nicht aus Mangel, nicht aus dem Versuch, „richtig“ zu sein in einem System, das mich ständig umdeutet.


📚 Literaturhinweise für andere Psychologie Nerds

  • Hamermesh, D. S., & Biddle, J. E. (1994). Beauty and the labor market. American Economic Review, 84(5), 1174–1194.

  • Johnson, S. K., Podratz, K. E., Dipboye, R. L., & Gibbons, E. (2010). Physical attractiveness biases in hiring: What is beautiful is good. Journal of Applied Social Psychology, 40(10), 2697–2710.

  • Mulvey, L. (1975). Visual Pleasure and Narrative Cinema.

  • Wolf, N. (1990). The Beauty Myth: How Images of Beauty Are Used Against Women.

  • Rhode, D. L. (2010). The Beauty Bias: The Injustice of Appearance in Life and Law.

Kommentare


photo_2020-11-05_14-57-54.jpg

Hi, schön, dass du hier bist!

Ich bin Sandra – Psychologin, Wahlberlinerin, 29, und immer irgendwo zwischen Overthinking und Achtsamkeit.


Auf mindfulmess schreibe ich über das chaotisch-schöne Leben in den 20ern und über mentale Gesundheit – ehrlich, persönlich und psychologisch fundiert.

Ich will zeigen, dass Wissen aus der Psychologie alltagstauglich, verständlich und manchmal sogar tröstlich sein kann.


Nebenbei beschäftige ich mich mit nachhaltigem Leben und der Frage, wie wir mit uns selbst und unserer Umwelt achtsamer umgehen können – ohne den Anspruch, alles richtig zu machen.

Wenn du also manchmal das Gefühl hast, das Leben müsste „ordentlicher“ laufen – willkommen im Club. Und willkommen bei mindfulmess.

Keine Beiträge verpassen.

Danke für die Nachricht!

  • Instagram
  • Pinterest
  • Tick Tack

Teile deine Gedanken mit mir

Danke für die Nachricht!

Impressum     Datenschutz     AGB

© 2020 pearlsofhoney

bottom of page