Zwischen Nähe und Nebel
- Sandra Maria
- 18. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Es gibt Dinge, über die ich als Frau mit ADHS lange nicht sprechen konnte. Nicht, weil ich sie nicht verstanden hätte. Sondern, weil sie so weh tun. Eines dieser Dinge ist: Ich bin wahnsinnig gut darin, neue Freundschaften zu schließen. Und unfassbar schlecht darin, sie zu halten.
Ich bin herzlich, aufmerksam, einfühlsam. Ich bin da, wenn du in der Krise bist. Ich höre zu, tröste, schreibe dir einen halben Roman, wenn du nachts nicht schlafen kannst. Ich lerne dich kennen, und es macht klick. Neue Verbindung, neue Nähe, ein warmes Gefühl im Bauch.Ich bin richtig gut im „Oooh shiny new friend“-Modus.
Aber dann... verblasst dieser Zauber. Nicht, weil ich dich weniger mag. Nicht, weil du mir weniger bedeutest. Sondern weil mein ADHS-Gehirn, das so sehr auf Neues ausgerichtet ist, auf einmal mit der Kontinuität überfordert ist. Und dann vergesse ich, zu schreiben.Vergesse, zu antworten. Verpasse deinen Geburtstag. Oder melde mich nach Monaten mit einem fünfseitigen Text, als wäre nichts gewesen.

Zwischen zu viel und zu wenig
Ich bin oft zu viel. Oder zu wenig. Nie das richtige Maß.
Ich rede zu offen. Zu transparent. Oder bin plötzlich still. Ich schicke dir zehnminütige Sprachnachrichten und dann wochenlang nichts. Ich overshare, obwohl ich es besser weiß. Oder ich maskiere so perfekt, dass du ein komisches Gefühl bekommst. Dieses uncanny valley, wenn etwas irgendwie nicht stimmt.
Und dann frage ich mich: War ich eine schlechte Freundin? Bin ich… zu schwierig?Zu intensiv? Zu inkonsequent?
Der Moment, in dem ich mir selbst nicht mehr traue
Das Schlimmste ist, wenn ich merke, dass sich jemand distanziert und ich mir einrede:„Das ist nur meine RSD. Rejection Sensitivity. Das bildest du dir ein.“
Ich gaslighte mich selbst. Ich erkläre mein Bauchgefühl weg. Und dann...Wochen später...kommt die Bestätigung. Es war doch echt. Ich hatte Recht. Und ich hab mich trotzdem belogen, um mich zu schützen.
Und manchmal denke ich zurück an meine Uni-Zeit. An die Leute, die mir ins Gesicht gelächelt und mich im selben Atemzug kleingemacht haben. Und wie ich es nicht bemerkt habe. Wie ich so sehr gefallen wollte, dass ich die Anzeichen übersehen habe. People Pleasing macht blind. Und es macht einsam.
"I'm doing everything I can." – "You're not doing enough!"
Kennst du diese Szene aus Harry Potter, als Hermine zu Harry sagt:„I’m doing everything I can.“Und er schreit sie an: „You’re not doing enough!“
So fühlt sich ein Großteil meines Lebens an. Ich gebe alles. Und es reicht trotzdem nicht.

Und jetzt?
Jetzt sitze ich hier, lächle in meinen Bildschirm. Obwohl es weh tut eine so verletzliche Seite von mir in Worte zu packen. Dieses Lächeln gehört zu meinem Masking. Und das kann ich ziemlich gut. So habe ich gelernt, Schmerz unsichtbar für andere zu machen. Ich arbeite daran, mir selbst Mitgefühl zu schenken. Ich lerne, dass nicht alle Verluste mein Fehler waren. Ich erinnere mich: Ich bin nicht allein.
Und wenn du das hier liest und denkst „Oh mein Gott – das bin ich“ – Dann will ich dir sagen: Du bist nicht zu viel. Du bist nicht falsch. Du bist nicht allein.










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