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things that finally helped me get my life together with adhd (ish)

  • Autorenbild: Sandra Maria
    Sandra Maria
  • 14. Sept. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 1. Aug.

Ich dachte, ich brauche Struktur – aber eigentlich brauchte ich Sicherheit.

Früher habe ich bei jeder Lebenskrise erstmal nach dem perfekten Planer gesucht.Mit Tabellen. Und Farben. Und Wochenübersicht. Ich dachte, wenn ich nur das richtige System finde, dann bekomme ich mein Leben in den Griff.

Heute frage ich mich etwas ganz anderes: Was würde sich gerade sicher anfühlen? Nicht: Wie kann ich produktiv sein? Sondern: Was braucht mein Körper, mein Gehirn, mein Nervensystem – jetzt?

Denn inzwischen weiß ich: Die Fähigkeit, zu funktionieren, entsteht nicht aus Disziplin oder To-do-Listen. Sie entsteht aus Regulation. Aus innerer Sicherheit. Und ja – das ist nicht nur ein persönlicher Aha-Moment, sondern auch wissenschaftlich gut belegt. Studien zeigen, dass das Gehirn unter Stress keine komplexen Aufgaben bewältigen kann. Dass wir erst wieder klar denken, planen und handeln können, wenn unser Nervensystem in Sicherheit ist. (z. B. Porges, 2011; Barkley, 2015)

In diesem Beitrag möchte ich mit dir teilen, welche kleinen Dinge mir wirklich geholfen haben, mein Leben mit ADHS ein bisschen mehr zusammenzuhalten – nicht perfekt, aber liebevoll. Nicht produktiv um jeden Preis, sondern getragen von dem, was mein System wirklich braucht.


Sicherheit statt Produktivität

Wenn sich die Gedanken in meinem Kopf im Kreis drehen und verknoten, wenn ich reglos vorm Wäschestapel sitze oder meine To-do-Liste wie ein Endgegner wirkt, hilft mir kein Kalender. Ich brauche Regulation. Ich brauche:

  • weiche Kleidung

  • Musik, die sich wie Umarmung anfühlt

  • einen Körper, der durchatmen darf

  • ein Nervensystem, das sich nicht bedroht fühlt

Und erst dann… kann ich anfangen.


Wissenschaftlicher Hintergrund:Menschen mit ADHS zeigen häufiger eine gestörte Stressverarbeitung (z. B. Barkley, 2015). Wenn das autonome Nervensystem im Überlebensmodus (Fight, Flight, Freeze) agiert, sind exekutive Funktionen (Planen, Handeln, Priorisieren) stark eingeschränkt.

Literatur & Studien:

  • Porges, S. W. (2011). The Polyvagal Theory. → erklärt, wie Sicherheit eine Voraussetzung für soziale Interaktion und Handlungsfähigkeit ist.

  • Barkley, R. A. (2015). Attention-Deficit Hyperactivity Disorder: A Handbook for Diagnosis and Treatment. → beschreibt, wie dysreguliertes Verhalten oft aus emotionaler Überstimulation resultiert.


Nervensystem vor To-do-Liste

Ich habe aufgehört, nach „produktiven Tagen“ zu streben. Mein neues Ziel: regulierte Stunden. Denn wenn ich reguliert bin, entsteht Produktivität ganz von allein. Wenn ich dysreguliert bin? Dann rutsche ich in Überforderung, Vermeidung, Verzweiflung.

Manchmal bedeutet Regulation:

  • vor dem Aufräumen ein Lied aus meiner Kindheit hören

  • nach dem Duschen eine Bodylotion benutzen, die nach Zuhause riecht

  • beim E-Mail-Schreiben ein warmes Getränk in der Hand haben

Alles Harte muss mit etwas Sanftem gepaart werden. Das ist meine Regel.


Wissenschaftlicher Hintergrund: Viele Menschen mit ADHS haben eine sensorische Überempfindlichkeit oder Reizoffenheit (besonders auditiv, haptisch, olfaktorisch). Bestimmte Reize können jedoch auch gezielt zur Selbstregulation genutzt werden.

Literatur & Studien:

  • Bijlenga et al. (2017). Affective dysregulation in adults with ADHD. → zeigt, dass affektive Dysregulation mit sensorischer Empfindlichkeit einhergeht.

  • Kessler et al. (2006). The prevalence and correlates of adult ADHD in the United States. → beschreibt u. a. emotionale und sensorische Komorbiditäten.

  • Brown, T. E. (2013). A New Understanding of ADHD in Children and Adults. → betont sensorische und emotionale Ko-Regulation.


Ich gab jeder Aufgabe einen Sinn

Mein ADHS-Gehirn funktioniert nicht mit „Du solltest aber…“.Was es braucht, ist Bedeutung. Ein inneres Warum. Erst dann ist Energie da.

  • Statt „Wäsche waschen“ → „damit Future Me sich nicht wieder für alles gleichzeitig verantwortlich fühlt“

  • Statt „Duschen“ → „damit ich mich wieder wie ein Mensch fühle“

  • Statt „Steuer“ → „weil mein Nervensystem sich sicherer fühlt, wenn es keine Mahnungen mehr geben kann“

Und plötzlich geht’s. Nicht leicht – aber leichter.


Wissenschaftlicher Hintergrund:

Das ADHS-Gehirn zeigt oft eine verminderte intrinsische Motivation bei Aufgaben ohne unmittelbare Relevanz oder Belohnung. Die Reward Deficiency Hypothesis erklärt, warum externe Anreize oft nicht ausreichen, aber persönliche Sinnzuschreibungen helfen können.

Literatur & Studien:

  • Volkow et al. (2009). Motivation Deficit in ADHD is Associated with Dysfunction of the Dopaminergic Reward Pathway.

  • Barkley, R. A. (2021). The 12 Principles of ADHD Management. → betont Bedeutung und Visualisierung von Zielen als hilfreiche Strategie.


Struktur und Rituale – aber neurodiversitätsfreundlich

Die meisten Strukturen, die uns ADHSler:innen helfen, sehen von außen „seltsam“ aus. Für mich sind es zum Beispiel:

  • Klebezettel an der Zahnpasta mit „Du musst heute nicht alles schaffen.“

  • Erinnerung im Handy: „Trink Wasser. Du denkst besser, wenn du hydriert bist.“

  • Ein fester „Regenerationstag“ pro Woche – ohne Verpflichtungen. Ohne Menschen. Nur ich.

Struktur funktioniert, wenn sie mich unterstützt – nicht wenn ich sie permanent bedienen muss.


Wissenschaftlicher Hintergrund:Rigid strukturierte Tagespläne wirken für ADHS oft überfordernd. Flexible, individuell adaptierte Routinen verbessern hingegen Selbstwirksamkeit und fördern Kontinuität.

Literatur & Studien:

  • Ramsay, J. R. & Rostain, A. L. (2015). Cognitive Behavioral Therapy for Adult ADHD. → beschreibt die Entwicklung individuell passender Routinen.

  • Tuckman, A. R. (2012). More Attention, Less Deficit. → zahlreiche Tools und Anpassungen für neurodiverse Tagesgestaltung.


Kleine Rituale für große Regulation

Was ich mir mühselig über Jahre aufgebaut habe, sind kleine Mini-Gewohnheiten. Nicht weil ich so diszipliniert bin – sondern weil sie mein Anker wurden.

🧠 Regel: Nach jeder Aktivierung folgt eine Entladung.

  • Nach sozialen Events: 10 Minuten „Stille Dusche“ ohne Musik, ohne Reize

  • Vor dem Arbeiten: 3 tiefe Atemzüge und ein Timer mit LoFi-Playlist

  • Bei emotionalem Chaos: Fenster öffnen. Raum verlassen. Kopf kurz kühlen.

Ich habe gelernt: Mein Alltag braucht Pausen, bevor ich sie „verdient“ habe.


Wissenschaftlicher Hintergrund: Menschen mit ADHS leiden häufiger unter internalisierter Kritik. Selbstmitgefühl wirkt sich nachweislich positiv auf Emotionsregulation, Resilienz und Verhalten aus.

Literatur & Studien:

  • Neff, K. D. (2003). Self-compassion: An alternative conceptualization of a healthy attitude toward oneself.

  • Sibley et al. (2022). The impact of self-compassion on functioning in adults with ADHD.


Soft Skills: meine Superpower

  • Ich kommuniziere offen, wenn mein Gehirn gerade nicht mitkommt

  • Ich frage nach, wenn mein innerer Kritiker wieder schreit

  • Ich feiere meine Erfolge – auch wenn sie nur heißen: „Ich bin heute aufgestanden.“

Mein Leben ist nicht „im Griff“. Aber es ist meins. Und es wird ruhiger, je freundlicher ich mit mir bin.


📚 Bonus: Empfehlenswerte Literatur für Betroffene

  • Dr. Ari Tuckman – sehr praxisnah, v. a. für Erwachsene mit ADHS in Bezug auf Organisation, Beziehungen und Sexualität.

  • Jessica McCabe (How to ADHD) – YouTube + Blog mit fundierten, leicht zugänglichen Tools.

  • Gina Pera – Is It You, Me, or Adult ADHD? – besonders gut bei Beziehungsthemen.

  • Edward Hallowell – Driven to Distraction – Klassiker mit vielen persönlichen Einblicken.

Kommentare


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Ich bin Sandra – Psychologin, Wahlberlinerin, 29, und immer irgendwo zwischen Overthinking und Achtsamkeit.


Auf mindfulmess schreibe ich über das chaotisch-schöne Leben in den 20ern und über mentale Gesundheit – ehrlich, persönlich und psychologisch fundiert.

Ich will zeigen, dass Wissen aus der Psychologie alltagstauglich, verständlich und manchmal sogar tröstlich sein kann.


Nebenbei beschäftige ich mich mit nachhaltigem Leben und der Frage, wie wir mit uns selbst und unserer Umwelt achtsamer umgehen können – ohne den Anspruch, alles richtig zu machen.

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