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5 Dinge, die ich dir über ADHS sagen würde – wenn ich keine Angst hätte, deine Gefühle zu verletzen

  • Autorenbild: Sandra Maria
    Sandra Maria
  • 4. Nov. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Sept.

(Oder: 5 ungemütliche Wahrheiten, die du vielleicht hören musst – genau wie ich.)


Früher dachte ich, ich bräuchte nur die richtige App. Den richtigen Kalender. Die perfekte Routine. Und plötzlich – zack – wäre mein Leben in Ordnung.

Spoiler: war’s nicht.

Heute weiß ich: Mein ADHS lässt sich nicht mit hübschen Notion-Templates managen oder durch 14-Tage-Challenges bändigen. Es braucht etwas Tieferes. Und ehrlich gesagt auch etwas mehr Schonungslosigkeit.

Also hier sind sie – die fünf Dinge, die ich dir sagen würde, wenn ich mutig genug wäre, es direkt auszusprechen. Oder besser gesagt: Die fünf Dinge, die ich mir selbst viel früher hätte sagen sollen.


Und ja, ich weiß: Ich bin selbst betroffen. Ich hab’s auch nicht immer gerne gehört. Aber manchmal liegt zwischen Trigger und Wahrheit nur ein Millimeter. Und manchmal ist genau da der Anfang von echter Veränderung.


1. Tools sind ein Pflaster – keine Lösung

Ich weiß, wie verlockend es ist, das nächste Notion-Template oder die perfekte App zu installieren. Wie schnell wir denken: „Wenn ich nur das richtige System finde, dann kriege ich mein Leben in den Griff.“

Aber die Wahrheit ist: Kein Tool dieser Welt wird deine exekutiven Funktionen reparieren. Wenn dein Nervensystem gerade im Freeze hängt, bringt dir auch der hübscheste Kalender nichts. Wir brauchen Skills. Kein Notizbuch der Welt bringt dir bei, wie du dich nach einer Reizüberflutung wieder regulierst.


🧠 Psychologische Einordnung: ADHS ist eine Entwicklungsverzögerung im Bereich der exekutiven Funktionen (Barkley, 2015). Tools können diese zwar unterstützen, aber sie ersetzen keine Fähigkeit zur Selbstregulation, Impulskontrolle oder Emotionsregulation.


👉 Tipp: Bevor du nach einem neuen Tool greifst, frag dich: Was versuche ich gerade zu kompensieren? Und: Wie kann ich mir helfen, mich sicher zu fühlen – statt nur produktiv zu wirken?


2. Chronisches Übercommitment ist eine Form der Selbstsabotage

Ich war die Queen of „Klar, ich mach das noch schnell mit!“Und dann saß ich heulend auf dem Küchenboden, weil ich nichts mehr geregelt bekam.

ADHS-Gehirne brauchen mehr Zeit zur Verarbeitung, mehr Pausen zur Regulation, mehr Leerlauf, um Reize zu integrieren. Aber was machen viele von uns? Wir sagen zu allem Ja – und überhören das leise Nein aus unserem Inneren. Warum? Weil wir dazugehören wollen. Weil wir funktionieren wollen. Weil wir es gewohnt sind, zu leisten – auf Kosten von uns selbst.


🧠 Forschungs-Hinweis: Menschen mit ADHS zeigen häufiger ein sogenanntes „People-Pleasing“-Verhalten (Knouse et al., 2014), das mit chronischer Überforderung und einem geringen Selbstwert korreliert.


👉 Tipp: Trainiere das Mikro-Nein. Sag zu kleinen Dingen Nein, bevor du bei den großen ausbrennst.


3. Deine Systeme scheitern, weil sie zu komplex sind

Du hast dir wieder eine fancy Struktur gebaut, mit Farbcodes, Sticky Notes, Apps, Rückmeldezeiten und Habit-Trackern.Und dann hast du sie – du ahnst es – nie wieder benutzt.

ADHS bedeutet oft: Geringe Frustrationstoleranz + hohe kognitive Belastung = System scheitert an sich selbst.

Ich weiß, Struktur gibt Sicherheit. Aber wenn dein System zu kompliziert ist, wird dein Gehirn es sabotieren.


🧠 Neuropsychologie dazu: Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten mit der „Arbeitsgedächtniskapazität“ (Martinussen et al., 2005) – also der Fähigkeit, mehrere Elemente gleichzeitig im Kopf zu behalten und zu verarbeiten. Zu komplexe Systeme überfordern genau diese kognitive Funktion.


👉 Tipp: Erstell ein System, das du an deinem schlechtesten Tag nutzen kannst. Nicht an deinem besten.


4. Emotionale Regulation bringt dich weiter als jeder Timer

Ich dachte lange, ich bräuchte einfach nur mehr Disziplin. Ein Pomodoro-Timer. Oder Accountability-Partner.

Was ich wirklich brauchte: Tools zur Emotionsregulation. Denn das, was mich vom Tun abhält, ist selten Faulheit – es ist Überforderung. Scham. Angst. Der innere Lärm. Wenn ich mich sicher fühle, kommt der Fokus ganz von allein.


🧠 Wissenschaftlicher Hintergrund: Emotionale Dysregulation gilt als ein zentraler, wenn auch lange unterschätzter Teil der ADHS-Symptomatik (Shaw et al., 2014; Barkley & Murphy, 2010). Besonders bei Erwachsenen steht nicht die Hyperaktivität, sondern die Reizbarkeit und emotionale Impulsivität im Vordergrund.


👉 Tipp: Nervensystem vor To-do-Liste. Frag dich: Was hilft mir gerade, mich sicher, gesehen, reguliert zu fühlen? Und dann erst: Was ist zu tun?


5. Du wirst nie wie eine neurotypische Person funktionieren – und das ist okay

Ich weiß, du willst einfach nur so funktionieren wie alle anderen. Mit Leichtigkeit Prioritäten setzen, Deadlines einhalten, nicht jedes Mal wieder den Kalender vergessen.

Aber ADHS ist kein Lifestyle, kein Mindset, kein Ausprobieren – es ist neurobiologische Realität. Und der Versuch, dich in neurotypische Systeme zu pressen, wird dich langfristig eher brechen als befreien.


🧠 Was Studien sagen: ADHS geht mit einer anderen neuronalen Reizverarbeitung einher – besonders im Bereich der Dopaminregulation und kognitiven Kontrolle (Volkow et al., 2009). Das bedeutet: Wir „ticken“ buchstäblich anders – und dürfen uns auch anders organisieren.


👉 Tipp: Hör auf, dich an anderen zu messen. Fang an, Systeme zu bauen, die zu deinem Gehirn passen. Und: Erkenne deinen Wert auch jenseits von Funktionieren.


Fazit:

Ich weiß, das war vielleicht nicht leicht zu lesen. Aber wenn du es bis hierher geschafft hast, dann hast du gerade etwas ganz Wichtiges gemacht: Du hast dir zugehört. Und vielleicht beginnt Veränderung genau da. Nicht mit der perfekten Morgenroutine. Sondern mit der Erlaubnis, ehrlich zu dir zu sein.

Kommentare


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Hi, schön, dass du hier bist!

Ich bin Sandra – Psychologin, Wahlberlinerin, 29, und immer irgendwo zwischen Overthinking und Achtsamkeit.


Auf mindfulmess schreibe ich über das chaotisch-schöne Leben in den 20ern und über mentale Gesundheit – ehrlich, persönlich und psychologisch fundiert.

Ich will zeigen, dass Wissen aus der Psychologie alltagstauglich, verständlich und manchmal sogar tröstlich sein kann.


Nebenbei beschäftige ich mich mit nachhaltigem Leben und der Frage, wie wir mit uns selbst und unserer Umwelt achtsamer umgehen können – ohne den Anspruch, alles richtig zu machen.

Wenn du also manchmal das Gefühl hast, das Leben müsste „ordentlicher“ laufen – willkommen im Club. Und willkommen bei mindfulmess.

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