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This isn’t healing (it’s avoidance)

  • Autorenbild: Sandra Maria
    Sandra Maria
  • 10. Mai 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 3. Aug.

Vom Weglaufen, Wachsen und dem Mut, sich selbst wirklich zu begegnen.


Hyperunabhängig und heimlich überfordert

Ich war immer stolz darauf, stark zu sein. Alles allein zu schaffen. Keine Hilfe zu brauchen. Hyperunabhängigkeit nennt man das wohl.Aber wenn ich ganz ehrlich bin, war es oft gar keine Stärke – sondern Schutz. Ich wollte Nähe, sehnte mich nach Verbindung. Doch gleichzeitig hatte ich panische Angst, mich verletzlich zu zeigen. Hilfe annehmen hieß, zugeben zu müssen, dass ich nicht okay war. Und das fühlte sich an wie Scheitern.

Heute weiß ich: Mich zurückzuziehen, nicht zu antworten, Menschen auf Abstand zu halten – das war keine Selbstfürsorge. Das war Vermeidung. Und manchmal sah es aus wie Heilung.


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„Ich bin doch schon längst drüber hinweg…“ – Das Get-over-it-Märchen

„Ich will das jetzt nicht mehr fühlen.“ „Ich bin da längst mit durch.“ Klingt stark. Fühlt sich leer an.

Manche Wunden brauchen länger. Und wenn wir ihnen keine Zeit geben, fangen wir an, gegen unsere eigenen Gefühle zu kämpfen. Wir verlernen, ihnen zu vertrauen. Dabei sind sie unser innerstes Navigationssystem.


Psychologischer Einschub: Forschungen von James Gross (2002) zeigen, dass unterdrückte Emotionen nicht verschwinden – sie verändern nur ihre Gestalt. Wer Schmerz wegdrückt, spürt oft später Gereiztheit, Erschöpfung oder psychosomatische Symptome. Heilung beginnt dort, wo wir uns selbst wieder zuhören.


Toxic Positivity statt echter Akzeptanz

„Denk doch positiv!“ „Immerhin hast du was gelernt.“ Manchmal will ich einfach sagen: Nein. Heute nicht. Heilung bedeutet nicht, alles ins Licht zu rücken. Sie heißt, das Dunkle auszuhalten, ohne sich darin zu verlieren. Wahres Wachstum entsteht oft im Schatten – wenn wir nicht fliehen, sondern bleiben.


Psychologischer Einschub: Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) betont: Wer lernt, unangenehme Gefühle wertfrei zu akzeptieren, entwickelt mehr Resilienz und psychische Flexibilität (Hayes et al., 2006). Positivität ohne Raum für Schmerz kann dagegen genau das blockieren.


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Cutting Off vs. Konfrontation & Repair

Manchmal ist Distanz heilsam. Manchmal notwendig. Besonders, wenn eine Beziehung schädlich oder gefährlich ist. Aber nicht jede Herausforderung braucht einen Cut.

Ich habe selbst Menschen aus meinem Leben gestrichen – nicht aus Selbstschutz, sondern weil ich Angst hatte, ehrlich zu sein. Weil Nähe Verletzlichkeit bedeutet. Und das ist schwerer, als einfach zu gehen.


Psychologischer Einschub:In der traumasensiblen Arbeit wird betont: No Contact kann sinnvoll sein, etwa bei Missbrauch. Doch wenn wir uns dauerhaft aus Verbindung zurückziehen, aus Angst vor Konflikt oder Nähe, kann das ein Ausdruck von Bindungsvermeidung sein – und kein Zeichen von Heilung.


Trigger vermeiden statt mit ihnen arbeiten

Ich dachte lange: Wenn ich mich einfach von allem fernhalte, was mich triggert, geht’s mir irgendwann besser. Spoiler: Es funktioniert nicht.

Kurzfristig kann Vermeidung helfen, den Alltag zu bewältigen. Aber langfristig nährt sie Angst und Unsicherheit.Wahre Heilung heißt: Lernen, in den Triggern zu atmen. Schritt für Schritt.


Psychologischer Einschub: Laut dem kognitiv-behavioralen Modell von Clark & Wells (1995) ist Vermeidung einer der stärksten Aufrechterhaltungsfaktoren von Angststörungen. Erst durch kontrollierte Konfrontation lernen wir, dass wir schwierige Situationen bewältigen können.


„Boundaries“ oder emotionale Mauern?

„Ich brauche gerade Abstand“ – sage ich, und blocke alle Nachrichten.„Ich schütze meine Energie“ – sage ich, aber bin in Wahrheit einfach überfordert mit Nähe.

Grenzen sind wichtig. Aber sie dürfen nicht zur Festung werden. Manchmal sind sie eine Einladung zum Gespräch. Und manchmal nur ein Rückzug ins Schweigen.


Psychologischer Einschub: Daniel Goleman (1995) beschreibt emotionale Intelligenz als Fähigkeit, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen und klar zu kommunizieren – ohne dabei die Verbindung zu anderen zu verlieren. Grenzen setzen ist gesund – Mauern bauen nicht.


Was Heilung wirklich bedeuten kann


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Heilung ist kein Produkt. Kein Ziel. Kein ästhetisches Moodboard. Sie ist ein täglicher Prozess. Ein Lernen, ein Scheitern, ein Wiederauferstehen. Und manchmal sieht sie ganz anders aus als gedacht:

Echte Heilung kann bedeuten … deine Gefühle bewusst zu fühlen – auch wenn sie unbequem sind– nicht sofort auf „das Positive“ zu schauen

– sondern deinem Schmerz Raum zu geben

– in einer schwierigen Beziehung ein ehrliches, respektvolles Gespräch zu führen

– dich zu zeigen: Unperfekt, aber ganz da

– zu akzeptieren, dass Liebe und Beziehungen nicht perfekt sind und es konstante Arbeit braucht

– dich der Unsicherheit zu stellen und trotzdem loszugehen

– klar zu sagen, was du brauchst, auch wenn du Angst hast

– anzuerkennen, dass Trigger deine Verantwortung sind, auch wenn du sie nicht gewählt hast

– zu verstehen, dass selbst geliebte Menschen nicht alle deine Bedürfnisse erfüllen können

– zu kämpfen. Für dich. Für deinen Weg. Immer wieder.


Persönliche Gedanken


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Ich dachte lange, ich wäre „geheilt“, wenn ich nicht mehr traurig bin. Nicht mehr wütend. Wenn ich immer Verständnis habe, mich nie mehr zurückziehe.

Aber echte Heilung sah für mich anders aus: Sie war das Gespräch, das ich geführt habe, obwohl ich Angst hatte. Das Gefühl, allein zu sein – und mich trotzdem nicht allein zu lassen. Der Moment, in dem ich meine Tränen nicht mehr entschuldigt habe.

Ich tappe noch oft in alte Muster. In Schutzreflexe. In Rückzüge. Aber ich erkenne sie schneller. Und bleibe dann manchmal einen Moment länger.


Vielleicht müssen wir lernen, uns nicht nur weiterzuentwickeln, sondern uns wiederzuverbinden. Mit uns selbst. Mit anderen. Mit allem, was wir fühlen.

Heilung ist kein Weg raus aus dem Schmerz – sondern ein Weg durch ihn hindurch.Und am Ende vielleicht: eine zarte Rückkehr zu uns selbst.


📚 Literaturverweise:

  • Gross, J. J. (2002). Emotion regulation: Affective, cognitive, and social consequences.

  • Hayes, S. C., et al. (2006). Acceptance and Commitment Therapy: An experiential approach to behavior change.

  • Clark, D. M., & Wells, A. (1995). A cognitive model of social phobia.

  • Goleman, D. (1995). Emotional Intelligence.

Kommentare


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Ich bin Sandra – Psychologin, Wahlberlinerin, 29, und immer irgendwo zwischen Overthinking und Achtsamkeit.


Auf mindfulmess schreibe ich über das chaotisch-schöne Leben in den 20ern und über mentale Gesundheit – ehrlich, persönlich und psychologisch fundiert.

Ich will zeigen, dass Wissen aus der Psychologie alltagstauglich, verständlich und manchmal sogar tröstlich sein kann.


Nebenbei beschäftige ich mich mit nachhaltigem Leben und der Frage, wie wir mit uns selbst und unserer Umwelt achtsamer umgehen können – ohne den Anspruch, alles richtig zu machen.

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